Man kann die neue Staffel von "The Masked Singer" einschalten, weil man gerne erleben will, wie Veronica Ferres im Bienenkostüm ein Lied von Guns’n’Roses singt. Oder aus diesen fünf guten Gründen.
1. Das Erdmännchenpaar und der Nilpferd-Ballerino
Man weiß erst dann, wie dringend man ein Erdmännchenpaar sehen muss, das die Achselkitzelei und die Hebefigurszene von "Dirty Dancing" nachspielt, und wie buttrig weich einen der Anblick eines männlichen Nilpferd-Ballerinos im rosa Tutu machen wird, der "I wanna dance with somebody" singt, wenn man genau das gezeigt bekommt. Der TV-geneigte Mensch mag zum Gafferwesen neigen und gerne aus dem sicheren Sessel heraus bei fremdem Krawall zuschauen, der ihn selbst nicht verletzten kann, aber zu viel davon macht einen auf Dauer dann doch innerlich so wund, als säße man selbst mit im "Sommerhaus" und bekäme nichts vom heiligen Apfelmus ab. Die "Masked Singer"-Menagerie ist das komplett unzynische Gegenprogramm zu allem Fernsehpersonal, das Fiesheit gerade als Geschäftsmodell entdeckt. Wer es eher mit Mainstream-Trendtieren hat: Ein Alpaka mit Selfiestick und unterbrustwärts umgeschnallter Bauchtasche macht auch mit.
2. Der Überraschungseffekt
Nicht viele Shows im deutschen Fernsehen haben das Zeug dazu, einen noch ernsthaft zu überraschen. Beim "Masked Singer" tippt Gast-Mitrater Dieter Hallervorden bei der Frage, welche Promis in den Erdmännchenverkleidungen steckt, leger und ohne Stocker auf die Rapper Bausa und Juju - man fühlt sich im Kontrast plötzlich alt, so unglaublich alt. Und muss ernsthaft aufpassen, nicht gleich reflexmäßig mit Rateteam-Mitglied Sonja Zietlow zusammen loszuheulen, als die bei der Performance einer mutmaßlich älteren Sangesdiva im Katzenkostüm vor tatsächlich echter Rührung feuchte Augen bekommt.
3. Der Detektivclub
"The Masked Singer" zieht Twitter den flauschigen Schonbezug über und verwandelt das anstrengende Dampfparkett für eine kleine Weile in einen gutmütigen Detektivclub. Wähnt man selbst eh schon die Youtuberin Dagi Bee im Alpakakostüm, weil die, wie das langhalsige Tier in seinem Hinweisfilmchen, auch gerne Burger isst und schon anderswo mal rappte, liefert einem der Showhashtag auf Twitter weitere Indizien – und entschlüsselt zum Beispiel die kleinen Landesflaggen auf den gezeigten Burgern: Dagi urlaubte mit ihrem zukünftigen Mann zuerst in Thailand, bekam ihren Antrag in Frankreich und heiratete ihn in den USA und in Spanien. Kombiniere, kombiniere.
4. Der Kandidaten-Mix
Anders als das fast schon beleidigend offensichtliche RTL-Konkurrenzverkleidungsformat "Big Performance – Wer ist der Star im Star?" liefert "The Masked Singer" in seiner dritten Staffel einen guten Mix aus (vermeintlich) offensichtlichen Promisängern, Relativ-Wahrscheinlich-Kandidaten und komplett rätselhaft Vermummenschanzten. Viel spricht dafür, dass Wigald Boning der Frosch mit den Protzbauchmuskeln ist und das Jochen Schropp sich als Hummer im Spencerjäckchen und mit Wohnsitz an der Cote d’Azur verkleidet hat – viel mehr Weltfluchtpotenzial als diesen Satz kann man von keiner Fernsehsendung erwarten. Und dann glaubt man eben, ach komm, was solls, auch für ein paar Sekunden mit Rateteam-Mitglied Bülent Ceylan daran, dass im Hummer vielleicht doch Tech-Investor Frank Thelen steckt. Oder Busenoperateur Dr. Mang. Oder Thomas Anders.
5. Scheppersänger und Schrillmadame
Bei "Masked Singer" wird, naja: gesungen, und in jeder Sendung scheidet jemand aus, weil zu wenige Menschen für ihn anrufen. Das Format ist trotzdem keine stumpfe Leistungsschau, bei der nur der oder die technisch beste, stimmvoluminöseste, tontreffsicherste gewinnen kann: Auch ein Scheppersänger und eine Schrillmadame können hier Sympathien gewinnen und weit kommen, solange sie ihre Rolle glaubhaft ausfüllen, ihr einen eigenen Spin geben. Für die tarnungshalber etwas zu aufgesetzt verlispelte Biene hat es allerdings nicht gereicht, als erste wurde zum Auftakt Veronica Ferres demaskiert. Mit abgesetztem Sumse-Kopf, aber im Bienenkörper steckend, sang sie zum Adieu noch einmal "Sweet Child O’ Mine" von Guns’n’Roses – bizarr, klar, aber auch sonderbar anrührend. Es galt schon in den vergangenen Staffeln, und es gilt in dieser traurigerweise noch mehr: "The Masked Singer" ist genau die Show, die wir gerade brauchen.
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